Das Immunsystem schützt unseren Körper nicht nur vor Krankheitserregern wie Bakterien und Viren, es verteidigt ihn auch gegen das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen. Doch leider sind einige Krebszellen in der Lage, das Immunsystem zu überlisten und sich so zu verändern, dass dieses sie nicht als gefährlich identifiziert. In einem auf sechs Jahre angelegten Forschungsprojekt will Oskar Staufer, Nachwuchsforscher am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken, mit Hilfe von neuentwickelten Materialien die Tarnstrategien der Krebszellen entschlüsseln. Zur Realisierung seines Projekts hat ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 2,4 Millionen Euro aus dem Emmy-Noether-Programm bewilligt.
Worum geht es bei der Forschung, der sich Oskar Staufer dank Förderung durch das Emmy-Noether-Programm am INM widmen wird? Der 33-jährige Biologe klärt auf: „Neben den bereits gut erforschten biochemischen Prozessen, die eine Krebszelle nutzt, um das Immunsystem zu überlisten, spielen auch physikalische Veränderungen eine Rolle, beispielsweise die Haftfähigkeit der Zelle oder die Steifigkeit des umliegenden Gewebes. Die chemischen Prozesse und die Änderungen von physikalischen Eigenschaften wirken auf komplexe Art zusammen. Bisher gibt es noch kein Verfahren, um beide Stimuli gleichzeitig, aber unabhängig voneinander zu untersuchen. Dies wäre aber entscheidend, um die Anpassungsstrategien der Krebszellen umfassend zu verstehen.“
Synthetisch hergestellte „Fake-Zellen“ helfen bei der Analyse
Hier setzt Staufers innovative Forschung an: Er und sein Team aus Biologen und Materialforschern wollen synthetische „Fake-Immunzellen“ herstellen, die in sogenannte 3D-Tumoroide eingebracht werden. Dies sind tumorähnliche Zellstrukturen, die ebenfalls in seiner Gruppe hergestellt werden. So entsteht ein Hybridgewebe mit definierten biochemischen und biophysikalischen Eigenschaften. Diese synthetischen Zellsysteme sollen die technologische Grundlage schaffen, um biochemische von mechanischen Prozessen in der Mikroumgebung der Tumorzellen abzukoppeln. Anschließend kann deren funktionales Zusammenspiel mittels Lichtmikroskopie und molekularen Analysen untersucht werden.
Unterstützung für seine Forschung findet der Nachwuchswissenschaftler in der Pharmazeutischen Forschungsallianz Saarland, der neben dem INM das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und die Universität des Saarlandes (UdS) angehören. Das HIPS bringt seine Expertise in der Forschung an und mit therapeutisch relevanten Komponenten ein, das Zentrum für Biophysik der UdS unterstützt mit seiner Infrastruktur die Untersuchung der biophysikalischen Eigenschaften der Krebszellen.
Professorin Aránzazu del Campo, wissenschaftliche Geschäftsführerin und CEO des INM sieht Staufers Forschung als Bereicherung für das Materialforschungsinstitut an. „Dr. Staufers Forschung an der Schnittstelle zwischen Immunologie und Materialforschung passt nicht nur hervorragend in das multidisziplinäre Forschungsportfolio des INM. Seine Forschung im Umfeld der Krebsbekämpfung steht auch in Einklang mit einer unserer Kernmissionen, nämlich Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden.“
Ihr Experte am INM:
Dr. Oskar Staufer
Leiter Forschungsgruppe Immuno-Materialien
Tel: 0681-9300-281
[email protected]
Hintergrund
Das Emmy-Noether-Programm der DFG zielt darauf ab, hochqualifizierten Forschenden die Möglichkeit zu geben, durch die eigenverantwortliche Leitung einer Nachwuchsgruppe verbunden mit qualifikationsspezifischen Lehraufgaben die Voraussetzungen für eine Berufung als Hochschullehrerin bzw. Hochschullehrer zu erlangen. Um für das Programm ausgewählt zu werden, müssen die Bewerberinnen und Bewerber ein anspruchsvolles Bewerbungsverfahren durchlaufen.
Das Projekt, für das Oskar Staufer Förderung erhält, heißt: „Analyse biophysikalischer Adaptionsmechanismen in der Tumor-Immun-Mikroumgebung mittels synthetischer Zellsysteme“