Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von vier Kontinenten treffen sich am 12. Februar 2020 auf dem Campus der Universität des Saarlandes zu einer dreitägigen Konferenz, um sich einem neuen Ansatz in der Materialsynthese zu widmen. Sie setzen auf sogenannte „Lebende Materialien“, die völlig neue Möglichkeiten in der Medizin, aber auch in vielen anderen Bereichen eröffnen.
Bakterien sind erstaunliche Organismen. Sie verfügen über einen äußerst vielfältigen Stoffwechsel, der es ihnen erlaubt, verschiedenartigste Stoffe zu produzieren, von anorganischen Salzen über Metalloxide und Biopolymere bis hin zu potenten Wirkstoffen. Forscher im Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) in Saarbrücken denken aktuell darüber nach, diese Eigenschaften zu nutzen, um technische und medizinische Materialien mit neuartigen Funktionen herzustellen. Dabei sollen lebende Organismen wie Bakterien oder auch Hefen zielgerichtet programmiert und in ein Trägermaterial eingeschlossen werden. Als aktive Komponenten in den so geschaffenen „Lebenden Materialien“ sollen sie dann selbstständig ihre vorprogrammierte Aufgabe erledigen und müssen dazu nur von außen „gefüttert“ werden. Da die Organismen selbst im Material verbleiben und somit dauerhaft zur Verfügung stehen, ist eine nachhaltige Funktionalität gewährleistet.
„Im Gegensatz zu Materialien, die wir im Labor synthetisieren, hätten Lebende Materialien die Fähigkeit zur Selbstheilung, zur Anpassung an die Umgebung und sogar zur Verbesserung ihrer Leistung während der Nutzung“, erläutert Professorin Aránzazu del Campo, wissenschaftliche Geschäftsführerin am INM. Die bereits bekannten Anwendungsmöglichkeiten umfassen ein breites Spektrum: Selbstbelüftende Sportbekleidung, selbstheilende Betonwände, selbsterneuernde Membranen zur biologischen Entgiftung, biosensorische Tattoos zur Erkennung schädlicher Substanzen auf der Haut oder der therapeutische Einsatz zur langfristigen und personalisierten Abgabe von medizinischen Wirkstoffen in den Körper bei chronischen Erkrankungen sind nur einige Beispiele.
Viele Fragen sind noch offen und werden von den 100 Teilnehmern diskutiert: Wie vertragen sich die nicht-lebenden mit den lebenden Materialkomponenten? Welche Technologien sind möglich und erforderlich, um Lebende Materialien herzustellen? Wie können die Lebenden Materialien zielgerichtet programmiert und wie viele Funktionen können gleichzeitig eingebaut werden? Welche Anwendungsszenarien und technologischen Fortschritte sind denkbar? Ein eigenes Diskussionsforum ist der wichtigen Frage gewidmet, welche Eigenschaften solche Lebenden Materialien haben müssen, um eine sichere Herstellung und Anwendung zu gewährleisten. Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und Zulassungsbehörden erläutern ihre Standpunkte und stellen sich den Fragen des Publikums.
Dr. Shrikrishnan Sankaran, der seit Jahresbeginn am INM die Forschungsgruppe „Bioprogrammierbare Materialien“ leitet, hebt die Besonderheit der Konferenz hervor: „ Wir bringen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Materialwissenschaft, der synthetischen Biologie, der Medizin und der Bioinformatik zusammen, um über neue Technologien für eine nachhaltige Zukunft zu diskutieren.“ Somit sei die Konferenz das erste Forum, in dem sich Experten mit den unterschiedlichsten Ansätzen zu diesem speziellen Thema austauschen und mögliche Synergien und künftigen Kooperationen ausloten könnten.
Die Konferenz wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Forschungsverbund Gesundheitstechnologien der Leibniz-Gemeinschaft unterstützt.
Ihre Experten am INM:
Prof. Dr. Aránzazu del Campo
Wissenschaftliche Geschäftsführerin und
Leiterin des Programmbereichs „Dynamische Biomaterialien“
Tel.: 0681-9300-510
[email protected]
Dr. Shrikrishnan Sankaran
Leiter der Juniorforschungsgruppe „Bioprogrammierbare Materialien“
Tel.: 0681-9300-167
[email protected]
Das INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien mit Sitz in Saarbrücken ist ein internationales Zentrum für Materialforschung. Es kooperiert wissenschaftlich mit nationalen und internationalen Instituten und entwickelt für Unternehmen in aller Welt. Die Forschung am INM gliedert sich in die drei Felder Nanokomposit-Technologie, Grenzflächenmaterialien und Biogrenzflächen. Das INM ist ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft und beschäftigt rund 260 Mitarbeiter.